lauter niemand - bio - prosa - lyrik - poetik
 
Arwed Vogel
 
 
lauter niemand 3
 
 
Skizze: Damaskus, nachts
 
Es ist der Ventilator.
Oder es ist irgendjemand, der in die Hände klatscht, nach den Takten dieser Musik, die noch immer so tief in den Poren sitzt, daß sie auch in der Nacht nicht ausgeschwitzt werden kann.
Es ist der Ventilator, der sich dreht, der an irgendetwas schleift. Niemand klatscht in die Hände. Man kann einem Ventilator nicht böse sein. Man kann den Ventilator schneller rotieren lassen, um das Schleifen nicht zu hören.
Drei Stockwerke tiefer sitzen Männer im Hinterhof zwischen gelben Toyotas. Rotiert der Ventilator schneller beginnt er zu knattern wie Hubschrauber knattern. Fährt der Laster in den Hinterhof hört man den Ventilator nicht mehr. Auch nicht die Stimmen der Araber aus dem Nebenzimmer, die ich höre, wie ich sie hörte bevor ich bat die Luke zu schließen, die unsere Zimmer verbindet.
Ist der Laster fort, hört man Schaufeln den Sand bewegen, den der Laster gebracht hat. Hört man die Schaufeln nicht mehr, dann hört man die Männer zwischen den Toyotas singen, bis der Laster wiederkommt.
Verstummen werden in diesen Stunden die "LukiLukiLukiLuki"-Rufe der Zigarettenverkäufer, die Schreie der Kinderschuhputzer und die kehligen Laute der Frauen, die gekrümmt auf dem Boden hinter ihren Melonenpyramiden einschlafen. die Schreie der Kinderschuhputzer und die kehligen  Laute der Frauen, die gekrümmt auf dem Boden hinter ihren Melonenpyramiden einschlafen. Sie werden das kurze Heulen des Polizeiautos nicht hören, das die stummen Uhrenverkäufer, die Whiskeyhändler vertreibt, deren Flaschen sich in einer halben Nacht in die Eisblöcke auf den Hockern eingeschmolzen haben.
Ich könnte aufstehen, Licht machen und am Waschbecken Wasser trinken. Ich bin zu erschöpft, ohne müde zu sein. Erst wenn die Laster nicht mehr kommen, erst dann beginnt das Geblöke der Schafe, die flach an Mauern gerückt, geschlafen haben.
Erst wenn die Männer zwischen den Toyotas schlafen, kriechen die Hühner unter den Autos hervor.
Es ist wie ein Wunder: Der Ventilator knattert wie ein Hubschrauber und zerpflückt die Luft. So unablässig wie der nahe Verkehr über die Hochbrücke pulst, so beharrlich wie die Männer Sand schaufeln. Ich kann einschlafen wann ich will, ich schlafe solange ich will - ich wache auf und der Ventilator dreht sich, knattert.
Es wäre gut zu schlafen, aber der Ventilator kommt nicht gegen die Hitze an. Es müht sich ab, doch erst gegen Morgen wird es kühler. Es wäre gut die frühen Stunden zu nützen. Es könnte noch nicht so heiß sein draußen. Aber es fällt schwer aufzustehen.