lauter niemand - bio - prosa - lyrik - poetik
2009
 
Bert Papenfuß
 
 
Versuch einer Poetologie des Anstatt
anhand dreier Kapitel aus der Revue WINKE PINKE
 
 
13. Diangter un Deuker
 
Kruziverbalistisch sei die Lyrik,
möglichst agogisch die Melik,
stochastisch die Interpunktion,
abwechslungsreich die Toxikation,
proppendig vull de Büdel,
hannacksch dat Gegniedel,
kaprietsch de Grabietz,
entfamicht de Stüz
und dreckig der Reim – auf einem Bein.
(1)
...........– „Immer schön schreim,
.......... wat man ooch selbst lesen will.
...........Ansonsten Zwille uff Brille.“
...........– „Wenn man auf Realität steht,
...........sind Gott, Gold und Geld Kult.“
...........– „Verantwortungsverringerung
...........durch Bewußtseinsminderung
...........führt zu Verkehrsbehinderung.“

.......................– „Dich macht dein Verkehr
(2) aus,
.......................du jedoch ihm den Garaus –
.......................so wird kein Schuh draus.
.......................Der Saal geht vor den Hund,
.......................gruppier dich selber um,
.......................un hal di denn’ Salhund
.......................ut’n Stranne to Lanne.
.......................‚Is man de Diangter
.......................uk bloots ’n Deuker.‘“

...................................Winke Pinke, do the Winke Pinke,
...................................kapp die Strünke, flick die Strümpfe.
...................................Ruff die Schminke uff die Stümpfe,
...................................my baby does the Winke Pinke.
 
 
(1) Hinzuzufügen bleibt: Das Ende der Literatur // An der Poesie vorbeizuschreiben ist löblich. / Prosa liegenzulassen ist schwer, aber mehr als löblich. / Am Text zu scheitern, heißt – Leser erheitern, die eitern. / Wer eitert, wehrt sich wenigstens, oder – geht krachen. / Да здравствует картина, so steht’s schon im Koran. // „Und so habe ich endlich angefangen / mit dem Schreiben aufzuhören.“ (Letzteres behauptet Johannes Jansen in seinem Text O. T. [2. 8. 2007] in der Zeitschrift floppy myriapoda, Heft 7, Berlin, Januar 2008)
 
(2) „Verkehr ist Gegenseitigkeit, ist die Handlung, das commercium der Einzelnen; Gesellschaft ist nur Gemeinschaftlichkeit des Saales, und in Gesellschaft befinden sich schon die Statuen eines Museums-Saales, sie sind ‚gruppiert‘.“ Aus: Max Stirner. Der Einzige und sein Eigentum. Zweite Abteilung/II./2 – Mein Verkehr.
 
 
14. Taukunft un Unnergang
 
Zukunft ist Schuld;
hat man Geduld,
wird Gunst zu Huld.
.......... Köpfe müssen rollen
.......... – ohne Haare zu spalten –,
.......... saubere Schnitte sind gefragt
.......... und angesagt ist Blättern in Listen,
.......... als ob wir nicht schon alles wüßten,
.......... wir können klotzen, kleckern, wettern
.......... und abwiegeln, je nachdem wie lüstern.
 
.......................– „Du stehst unterm Unstern.
.......................Habe ich nicht gesagt,
.......................stampft Börsen in Mörsern?
.......................Und du hast noch gefragt,
.......................‚jibts wat rumzumosern?‘“
.......................– „Haste jesagt, aba denn war ick
.......................übaraschnd anne Ostsee jewesn
.......................un’ habn Jedicht jeschriem, wat so jeht:
.......................Der Titel vons janze is Nebelebene
 
.......................‚Am Meer jewesn,
.......................Töle uffjehängt,
.......................Odin zujewinkt,
.......................Sonne untajegangn.
.......................Klappt doch allet.‘“
 
.......................– „Jedet vadammte Konzept
.......................is – wie ick schon ’n paar Mal
.......................bejründet anjedeutet hab –
.......................schlümma als ’n Flageolett;
.......................kaum isset durchjedrückt,
.......................schon isset abjewichst.“
 
.......................Winke Pinke, do the Winke Pinke,
.......................-ünke, -ümpfe, -inke, -ümpfe;
.......................winke, schwarze Pinke.
 
 
15. Trööchgang un Utkiek
 
Zu guter Letzt
ein Blick zurück
.......... nach vorn
.......... im Zorn:
 
.......................„Der Erfolg des Sozialismus
.......................hängt […] letztlich davon ab,
.......................daß die Ideen
.......................der Herrschaftslosigkeit,
.......................der Selbständigkeit,
.......................der freien Initiative des Einzelnen
.......... – mit einem Wort, des Anarchismus –
.......... zugleich mit und neben den Lehren
.......... vom vergesellschafteten Eigentum
.......... und von sozialisierter Produktion
.......... verkündet werden“ (3) müssen.
 
...................................Dem ist kein „Winke Pinke“ hinzuzufügen.
 
 
(3) Aus: Peter A. Kropotkin. Memoiren eines Revolutionärs. Bd. II. „Neue Übersetzung aus dem Englischen, herausgegeben von Heiner Becker und Nicolas Walter […]“. UNRAST-Verlag, Münster, 2002, S. 432.
Um des Vergleichs willen, der Vollständigkeit halber, und den chronologischen Erschütterungen der menschlichen Regeneration geschuldet, sei hier auch die Version der „autorisierte[n] Übersetzung von Max Pannwitz“ der deutschen Erstausgabe (Fürst Peter Krapotkin. Memoiren eines Revolutionärs. Verlag von Robert Lutz, Stuttgart, 1900) angeführt: „Die Kommune hat es klarer als je bewiesen, daß gerade davon der Erfolg des Sozialismus abhing, daß die Gedanken der Herrschaftslosigkeit, der Selbständigkeit, der freien Initiative des einzelnen – in einem Wort, des Anarchismus – zugleich mit den Lehren vom gemeinsamen Eigentum und von sozialisierter Produktion verkündet wurden.“ (s. Bd. II, S. 243) – Diese Vergangenheit ist geraume Zeit rum, und liegt nun neuerlich vor uns. Poesie ist nicht zum Rumfühlen gut, sondern zur Wissensaneignung.