lauter niemand - bio
2003
 
Verena Kammerer
 
Verena Kammerer
 
* 1965 in Bozen (Südtirol / Italien). Lebt in Berlin. Ausbildung als wissenschaftliche Illustratorin in Mailand. Graphikstudium in Wien. Arbeiten als Erzieherin und in diversen graphischen Bereichen. Ausstellungen in Südtirol und Berlin.
 
bild von verena kammerer
"Blausieb" (Raupe) A4/Kugelschreiber auf Papier
 
Auf den ersten Blick erscheinen die Zeichnungen von Verena Kammerer als Collagen. Sie zeichnet alte Porträtphotographien ab, oft sind es Kinder, und stellt dazu Tiere, die sie Darstellungen aus Lexika entnimmt. Diese Zuordnung hat etwas Befremdliches, fast Unheimliches, denn beide, die fast starren Porträts und die das Typische darstellenden Tierzeichnungen haben keinen ersichtlichen Bezug zueinander, außer, daß sie sich geradezu auf den Leib rücken. Bei manchen gibt es eine zufällig scheinende, gedankenverlorene Berührung. Beide scheinen unvermittelt in einen Raum gestellt zu sein, der nicht ihre Sphäre ist. Dazu ist die Zeichnung oft nicht ausgeführt, Plastisches verliert sich in andeutender Linie. Als würde ein defekter Apparat sie an einen falschen Ort in unrichtigen Größenverhältnissen übertragen haben. Wenn Collage bedeutungsmäßig Entferntes in einen neuen Sinnzusammenhang zu stellen beabsichtigt, sind das keine Collagen. Die Zusammenstellung bleibt unvermittelt, das Surreale, das Traumhafte hat keine Deutung, die als Ordnung den Zeichnungen das Beunruhigende näme. Sie sind absurd, würde man sagen, ohne daß aber damit etwas gesagt wäre. Man rettete sich am besten ins Dekorative, um der problematischen Konstellation auszuweichen, die so bestimmt in der Serie und in der Akribie der einzelnen Zeichnung behauptet wird. Das Problem, das sich hier ohne Aussicht auf Lösung stellt, ähnelt dem, das mir im täglichen Leben begegnet, ohne daß es mir als solches noch bewußt wird. Ich bin umgeben von Dingen, deren Herkunft mir fremd bleiben muß, deren Nebeneinander mir absurd erscheinen müßte, die mir angepriesen, aber nicht vermittelt werden. Sie sind starr in dem Sinn, daß sie sich nicht mir anpassen, sondern nur einer Objektivierung meiner selbst. Dennoch berühre ich sie gedankenlos. In den Zeichnungen werden zwei Erstarrungen zusammengebracht: Daß etwas sich vor dem photographischen Apparat verewigt und daß etwas unter wissenschaftlichem Interesse aufs Typische reduziert wird. Der Mechanismus der Erstarrung heißt Objektivieren. Die Zeichnungen arbeiten daran, diese Starre zu lösen. Es scheint das eine durch das andere wieder zu Leben zu kommen in einer unmerklichen Bewegung zueinander oder als das sei eine jeweils des anderen Hintergrund./ Stefan Döring
 
bild von verena kammerer
"Heuhüpfer"Kugelschreiber auf Papier / A4 Format
 
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