Auf den ersten Blick erscheinen die Zeichnungen von Verena Kammerer als
Collagen. Sie zeichnet alte Porträtphotographien ab, oft sind es Kinder,
und stellt dazu Tiere, die sie Darstellungen aus Lexika entnimmt. Diese
Zuordnung hat etwas Befremdliches, fast Unheimliches, denn beide, die
fast starren Porträts und die das Typische darstellenden Tierzeichnungen
haben keinen ersichtlichen Bezug zueinander, außer, daß sie sich geradezu
auf den Leib rücken. Bei manchen gibt es eine zufällig scheinende, gedankenverlorene
Berührung. Beide scheinen unvermittelt in einen Raum gestellt zu sein,
der nicht ihre Sphäre ist. Dazu ist die Zeichnung oft nicht ausgeführt,
Plastisches verliert sich in andeutender Linie. Als würde ein defekter
Apparat sie an einen falschen Ort in unrichtigen Größenverhältnissen übertragen
haben. Wenn Collage bedeutungsmäßig Entferntes in einen neuen Sinnzusammenhang
zu stellen beabsichtigt, sind das keine Collagen. Die Zusammenstellung
bleibt unvermittelt, das Surreale, das Traumhafte hat keine Deutung, die
als Ordnung den Zeichnungen das Beunruhigende näme. Sie sind absurd, würde
man sagen, ohne daß aber damit etwas gesagt wäre. Man rettete sich am
besten ins Dekorative, um der problematischen Konstellation auszuweichen,
die so bestimmt in der Serie und in der Akribie der einzelnen Zeichnung
behauptet wird. Das Problem, das sich hier ohne Aussicht auf Lösung stellt,
ähnelt dem, das mir im täglichen Leben begegnet, ohne daß es mir als solches
noch bewußt wird. Ich bin umgeben von Dingen, deren Herkunft mir fremd
bleiben muß, deren Nebeneinander mir absurd erscheinen müßte, die mir
angepriesen, aber nicht vermittelt werden. Sie sind starr in dem Sinn,
daß sie sich nicht mir anpassen, sondern nur einer Objektivierung meiner
selbst. Dennoch berühre ich sie gedankenlos. In den Zeichnungen werden
zwei Erstarrungen zusammengebracht: Daß etwas sich vor dem photographischen
Apparat verewigt und daß etwas unter wissenschaftlichem Interesse aufs
Typische reduziert wird. Der Mechanismus der Erstarrung heißt Objektivieren.
Die Zeichnungen arbeiten daran, diese Starre zu lösen. Es scheint das
eine durch das andere wieder zu Leben zu kommen in einer unmerklichen
Bewegung zueinander oder als das sei eine jeweils des anderen Hintergrund./ Stefan Döring |